Wie man Bücher liest

„Bücher sind Lebensmittel“ – ist die Antwort, wenn man Google nach Büchern fragt.  Finde ich ganz zutreffen, denn in der heutigen Wissensgesellschaft zählt, was man weiß. Kürzlich meinte ein Freund „Nachrichten sind Zeitverschwendung“ – worunter er das Problem von zusammenhangslosen Fakten ansprach, das man häufig auch bei Blogs und vielem RSS-Lesen findet. Nur, dass man liest, heißt noch nicht, dass man schlauer wird. Hier sind meine Überlegungen, wie man sich gut wissen aneignen kann und aus Büchern das meiste zieht.

Lese nicht aus Zwang
Ein schlechter Start ist die Mutter allen schlechten Bücherlesens. Häufig hat man das Gefühl, dass man ein Buch lesen sollte, weil… irgendjemand das aufgedrängt hat; …man viel darüber gehört hat; …man es sich mal gekauft hat; …man es schon immer lesen wollte, aber nicht mehr weiß warum; …oder sonstige Gründe. Zu lesen, weil man muss ist schlecht. Ich habe festgestellt, dass ein Buch dann reinhaut, wenn es in die richtige Lebenssituation passt – wenn es auf vorbereiteten Boden trifft. Müssen ist kein guter Boden.

Stell dir Fragen
Überleg dir, was du von einem Buch willst. Eine Reihe von psychologischen Lerntechniken drehen sich genau um diesen Punkt: präzisiere die Fragen, die du hast. Die Idee dahinter ist, dass sich neues Wissen mit altem Verbinden muss, um dich weiterzubringen. Nur zu lesen, weil etwas Interessant ist, führt dazu, dass es wenig Bedeutung für dich hat. Wenn es mit deinem Vorwissen connected und Lücken füllt, die du bisher hast, ist ein Buch gold wert. Wenn es nur deine Gedanken kitzelt, ohne Relevanz zu dem, was du bisher weißt, bringt dich das Lesen wahrscheinlich nicht viel weiter.  (Ähnlich ist das ja auch beim Surfen im Internet. Wenn dir nicht klar ist, was du wissen willst, kann man sehr viel Zeit damit verbringen, interessante Dinge zu untersuchen, ohne wirklich weiter zu kommen). Wenn man sich nicht klar ist, was man wirklich will, sollte man sich zwingen, es aufzuschreiben. Das vertreibt den Nebel im Kopf und bringt Fokus zum Lesen.

Techniken: SQ4R, PQ4R, SQ3R

Schaff dir einen Überblick und lese nicht alles
Wenn ich lese, gehe ich zuerst auf die Rückseite und das Inhaltsverzeichnis. Der Rücken verrät mir, welches Problem das Buch adressieren will und manchmal auch schon die Lösung. Das Inhaltsverzeichnis zeigt mir, wo das Problem angegangen wird. Meisten sind Bücher so aufgebaut, dass sie erst das Problem entwickeln (was läuft schief), dann ihre Lösung vorschlagen (was muss anders gemacht werden) und das dann auf unterschiedliche Bereiche anwenden (wie setzt man das um). Wenn ich neu in einem Feld bin, will ich die Begründung verstehen und fange daher vorne an. Wenn ich das Problem schon kenne und deshalb dieses Buch in den Händen halte, kann ich mir das erste Drittel schenken und gehe direkt zur Lösung. Wenn ich mit der Lösung schon übereinstimme, dann kann ich direkt zur Umsetzung gehen und mir dort meine Fragen beantworten.
Ich treffe immer wieder Leute, die Schuldgefühle haben, weil sie Bücher nicht fertig lesen. Das ist schlecht – Bücher sind da, um dir weiterzuhelfen. Kein Buch hat den Anspruch fertig gelesen zu werden. Wenn du deine Fragen beantwortet hast, leg es weg – es bringt dich nicht weiter. Die ganzen psychologischen Lerntechniken betonen genau diesen Schritt.

Nutze die Inhalte oder gib sie weiter
Ich versuche was Gelesenes immer anzuwenden. Ich bringe mich dann in eine Situation, wo ich darüber lehren muss, anderen etwas erzähle, eine Zusammenfassung schreibe, oder darüber blogge. Dieser Schritt ist superwichtig, denn je mehr man Wissen einbindet und verwendet, desto mehr bleibt es im Gehirn. Psychologen nennen das Verarbeitungstiefe und Elaboration. Experimente zeigen genau das:

Finde einen Leserhythmus
Zum Lesen braucht man irgendwie innere Ruhe. In der Hektik des Alltags ist es schwer, etwas mit Substanz zu lesen. Daher ist es gut, wenn man sich einen Rhythmus schafft. Manche machen das abends vor dem Schlafengehen; ich bin mit Absicht mit dem Bus zur Arbeit gefahren, um dort ungestörte Zeit zu haben. Ohne Rhythmus wird es schwer, den Zugang zu finden.

Lese außerhalb deines Horizontes
So sehr ich für Fokussierung und Ziele bin, sollte man ab und zu sein eigenes Glaubenssystem schocken. Denn die Auswahl von deinen Büchern ist häufig selbstbestätigend. Selektive Wahrnehmung findet man zum Beispiel in einem wichtigen Fußball-Spiel: meine Lieblingsmannschaft (Bayer Leverkusen – OK, ich leide zur Zeit) spielt gegen München. Beide foulen gleich oft, aber ich nehme die Fouls gegen Bayer-Spieler jedes Mal wahr, während Fouls gegen Müncher nur jedes 10. Mal als solche gesehen werden. Also meine ich, dass der Schiedsrichter parteiisch ist und meine Mannschaft benachteiligt.
Bei den wirklich wichtigen Fragen im Leben, muss man sie von verschiedenen Winkeln betrachten. Setze dich ehrlich mit jemand auseinander, der einen anderen Zugang hat als du (und widersprich nicht von der ersten Sekunde, in der du das Buch liest). Schockiere dein System; teste deine Annahmen; sehe die Welt aus einer anderen Perspektive. Bei einer wichtigen Frage kann dieses umfassende Wissen lebenswichtig sein.

Bücher erlauben uns, auf den Schultern von Giganten zu stehen. Wir können lernen, was uns sonst Jahre gebraucht hätte. Aber nicht jedes Lesen eines Buchs ist gleich einem anderen. Heute muss man sich schnell einarbeiten können, Generalist sein. Daher: wer liest ist im Vorteil!

Weitere Links dazu:

How to read fast

Warum man Bücher lesen sollte: Love is the killer app

Gute Übersicht: how to read a lot of books in short time

7 Kommentare zu „Wie man Bücher liest

  1. Vielen Dank. Die Tipss sind mir zwar nicht neu, aber irgendwie muss man immer wieder an so etwas erinnert werden. Ich werde gleich versuchen, dass umzusetzen.

  2. das lehren und verwursten ist super. lerngruppen, referate, blogs, eigene Planspiele…aber wer macht das schon?
    Eigentlich surft man die ganze Zeit rum =;-) und das is auch super. Selektive Wahrnehmung is der Schlüssel zur Welt, die Reiche des Guten und des Bösen kennt =;-) Man muss sich drillen auf Kernprobleme und dann tagsüber so lange rumblödeln bis man die Nuss geknackt hat.
    Und das eigene Leben geht in den Arsch…

  3. Andy, das kommt darauf an, ob man es sich leisten kann. Wenn man keinen wirklichen Druck hat, flüchtet man oft schon nach den netten Ideen in Surferei. Wenn du Wissen braucht oder generell viel weitergibst, ist es nicht nur nett, sondern dann ist es echt wichtig, sich Dinge schnell und gut anzueignen.

  4. Super-Post, vielen Dank!
    Vor allem das mit dem „Nutzen und Verarbeiten“ des Gelesenen hat mir geholfen. Ob man aber nicht hin und wieder doch ein gutes Buch erwischt, weil man denkt man müsste das jetzt endlich mal lesen…?
    🙂

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