Missional – was wir brauchen sind Geschichten

„Sentiment without action
Is the ruin of the soul“
– Edward Abbey –

Hatte in den letzten Wochen den Luxus, etwas rumzukommen und interessante Geschichten zu hören. In USA war ich im Herzen des Amish-Gebietes mit ein paar Freunden zusammen, die ernsthaft über Gemeindegründung und Mission nachdenken. Relevant, missional und emergent – waren die Schlagworte. Keith will in seiner Gemeinde bewusst junge Menschen ausbilden, um neue Gemeinden zu gründen. Josef wohnt mit seiner Familie seit einigen Jahren in der Innenstadt von Lancaster, um dort mit sozialschwachen Menschen Gemeinde zu leben. Jetzt wollen sie noch mal eine Gemeinde in Lancaster starten, um Menschen einen Ort zu bieten, die nie mehr in eine normale Gemeinde gehen werden. Ein Kaffee-Haus oder so was soll es werden.

Zurück in Deutschland war ich letzte Woche auf Berlin-Tour. Am Sonntagabend hat der die Vineyard Berlin zum ersten Mal einen Gottesdienst gefeiert. Bisher gab es über die Stadt verteilt 3-4 Vineyard-Bases (Hausgruppen) und jetzt haben sie zum ersten Mal einen öffentlichen Gottesdienst in Berlin-Köpenik gefeiert. Die Stimmung war am Anfang etwas nervös, wie das eben so ist beim ersten Mal. Dann waren aber so an die 100 Leute da, davon bestimmt die Hälfte nicht Christen. Die schienen auch echt interessiert und offen. Da passiert bestimmt noch einiges. Auf dem Plan stehen einige neue Gemeinden in Ostdeutschland.

Montag traf ich dann Haso, den ich nur vom Bloggen kannte. War schön, ihn kennen zu lernen und was er so auf dem Herzen trägt für Berlin: vernetzen, ungewohnte Wege gehen, andere empowern, Randgruppen fördern. Sehr cool. Auf dem Weg zurück bin ich bei Markus abgestiegen, der vor einigen Jahren eine Baptistengemeinde in einem kleinen fränkischen Ort gegründet haben. Sie hatten gerade eine Krise, sind aber wieder wohl auf und erleben, wie einge Menschen zum Glauben kommen. Der letzte Stop war dann bei Peter, den ich auch nur blog-mäßig kannte. Wir hatten ein gutes Gespräch über Shaine Clairborne, wie man seine Nachbarschaft für Jesus erreicht, was es heißt in einer Stundentstadt zu leben und Cluster.

Insgesamt echt gut, dass so viel geht. Mir fällt auf, dass ich wirklich müde geworden bin vom Blog-Lesen. Noch ein neues Buch, noch eine Diskussion über was emerging ist oder auch nicht. Kürzlich ist uns im Online-Kurs aufgefallen, dass es zu wenig missionale Modelle von Gemeinde gibt. Zu welchen Gemeinden würde man denn zeigen, wenn man nach einem Vorbild für missionales Leben sucht? Das ist echt schade, dass es so wenig gibt. Aber vielleicht gibt es ja doch mehr als man so wahrnimmt. Vielleicht sind es die kleinen Schritte, die vielerorts schon gegangen werden, die auf Blogs nicht wahrgenommen werden.

Ich glaube wirklich an diesen missionalen Impuls. Ich glaube, dass wir den unbedingt brauchen. Ich glaube, dass es kein amerikanischen Modell sein wird, der uns in Deutschland weiterhilft. Ich glaube, dass es kein Programm sein wird, das uns den Schlüssel für unsere Städte gibt. Ich glaube, wir müssen einfach voneinander lernen und weiter die kleinen Schritte gehen. Wenn wir nur von dem missionalen Gedanken inspiriert sind, ohne daraus Aktionen wachsen zu lassen, dann wird es irgendwann langweilig und das nächste Trendthema kommt. Und dafür ist es zu schade.

Daher werde ich eine Serie über missionales Leben anfangen, wie ich es in meinem Freundeskreis sehe. Vielleicht inspiriert das und hilft uns, weiter die kleinen Schritte zu tun.

„Life is just one damn thing after another.“
– Elbert Hubbard –

4 Kommentare zu „Missional – was wir brauchen sind Geschichten

  1. Vielen Dank, Marlin. Mir geht es momentan ganz ähnlich wie dir im Hinblick auf die Müdigkeit. Eigentlich war das ja der Sinn meines Jahres hier in Phoenix, dass ich viel Zeit habe, Gemeinden kennen zu lernen und Bücher zu lesen (und das hab ich auch gemacht und viel gelernt), aber irgendwann ist auch gut gewesen.

    Ich glaube, dass es ganz viele tolle Sachen bei uns vor der Haustür gibt – allein, was für tolle Pastoren und Gemeinden ich schon in niedersächsischen Dörfern kennen gelernt hab. Die bloggen darüber nicht (weil da gibts noch kein DSL und die Leute wissen nicht, was ein Blog ist), die haben auch noch nie von „Emerging“ oder „missional“ gehört, aber die lieben Gott und die Menschen (ganz so emotional würden sie es vielleicht nicht ausdrücken 😉 ).

    Zu den missionalen Modellen – ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob ich mir das wünsche, dass wir zwei-drei super-missionale Vorzeigegemeinden haben, deren Pastoren dann anfangen Bücher zu schreiben und auf Kongressen Vorträge halten und Emerging-Stars werden.

    Noch ein Gedanke zu dem „Schlüssel für unsere Städte“, von dem zu schreibst. Ich hab noch nicht ausführlich drüber nachgedacht, aber könnte es vielleicht sein, dass diejenigen von uns in den Städten von denen auf den Dörfern lernen könnten – gerade im Hinblick auf Gemeinschaftsformen, die dort noch erhalten sind und wir Städter längst verlernt haben?

    Einige diffuse Gedanken am Abend … ich freu mich auf die nächsten Beiträge …

  2. Hi Marlin,
    war wirklich gut, Dich live zu erleben und Erfahrungen auszutauschen. Ich bin gespannt auf die Geschichten, die den Schlagworten etwas Fleisch geben. Und danke für das türkische Lied!

  3. @simon: ja, das war missverständlich mit den Modellen. Ich meinte damit nicht ein Willow/Saddleback-mäßiges Übermodell. Sondern Inspirationsquellen wie etwa COTA oder Salomon’s Porch, die gewisse Aspekte verkörpern.

    Wegen den Dörfern: in Dörfern ist die Zugehörigkeit viel mehr durch gemeinsame Geschichte und Lokation definiert: man wohnt 40 Jahre neben einer Person (oder hat das vor). Das ändert natürlich den Umgang wie jemand, der für 2 Semster in einer Stadt studiert. Es sind genau diese fluiden sozialen Strukturen, die Gemeinden Schwierigkeiten bieten. Meist funktioniert in Gemeinden Zugehörigkeit und Mitarbeit mehr Dorfmäßig. Vielleicht sind deshalb Gemeinden auch in ländlichen Gebieten (prozentual) stärker.

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