In Portugal vor ein paar Wochen habe ich von Mike Frost die einfachste Erklärung über Missional Church gehört. Hier ist das Schaubild, das er gemalt hat.
Die Gemeinde hat 4 Funktionen. Alle sind wichtig, alle sind da. Alle werden unterschiedlich stark zu verschiedenen Zeiten betont. In der Mitte steht immer die Herrschaft Jesus.
- Anbetung – der Lobpreis Gottes.
- Gemeinschaft – das Sammeln der Gläubigen.
- Jüngerschaft – das Wachsen in Gnade
- Mission – das Wirken in der Welt
Keine Gemeinde sollte einen dieser Aufträge auslassen. Oder nur einen betonen. Keiner ist in sich wichtiger als die anderen. Aber die Frage ist: wie organisiert sich die Gemeinde? Um welche Funktion herum findet das Leben der Gemeinde statt.
Typischerweise ist das die Anbetung. Der Gottesdienst am Sonntag (bei uns Samstag) ist der Anbetungsteil. Man baut dort Gemeinschaft mit ein, hofft Leute zum Wachstum zu animieren und lädt Freunde zur Mitleben ein.
Missionale Kirche organisiert sich um Mission. Statt auf Gottesdienst zu setzen, ist das Wirken in der Welt der zentrale Organisationspunkt. Anbetung findet unterwegs statt, Gemeinschaft durch den gemeinsamen Dienst und Jüngerschaft durch die Herausforderungen im Dienst.
Kirche könnte sich auch um Gemeinschaft sammeln – so wie Hauskirchen das oft tun. Oder um Jüngerschaft – so Jugend mit einer Mission das lebt. Ich finde es positiv, dass heute viel über missionale Gemeinde geredet wird. Jetzt müsste man nur noch einen Weg finden, den Gottesdienst abzuschaffen.
Den letzten Satz verstehe ich in dem Zusammenhang des Schaubildes noch nicht ganz.
Hallo Marlin
In Aarau hat Frost die gleiche Darstellung gebracht. Tatsächlich einfach, aber sehr gut nachvollziehbar!
Ja, das Problem mit dem Gottesdienst ist, dass er häufig um die Anbetung herum sammelt. Das ist die Standard-Struktur der meisten Gemeinden. Und da scheint schwierig, wegzukommen sein.
Hier ist ein interessanter Link:
4 resons to cancel the Sunday service
link
http://churchplantingnovice.wordpress.com/2009/04/02/4-reasons-to-cancel-sunday-service/
Unsere deutsche Begriffe sind da auch ein Problem. Einerseits sind ja sowohl „Gottesdienst“ als auch „Anbetung“ nicht auf eine Versammlung beschränkt, das räumen alle ein. Andererseits meint Frost hier mit „Worship“ natürlich den Gemeindegottesdienst, der als Mittelpunkt des Gemeindelebens (miss-)verstanden wird. Ich finde es aber gut, dass er nicht überzieht in der Polemik und Gottesdienste (im Sinne von gottesdienstlichen Versammlungen) abschaffen will.
Nein, abschaffen sollte man ihn nicht, sondern ihm eher (nur) den Spielraum geben, den er auch bekommen soll. Ihn abzuschaffen wäre alles andere als sinnvoll und ratsam – bedenkt man nur mal den Aspekt der Gemeinscahft (im Sinne von „koinonia = Teilhabe/Teilgabe) und Apg 2,40ff, dann sollten wir ihn nicht abschaffen.
Aber wir sollten endlich mal dahin kommen, dass der Gottesdienst (im Sinne der gottesdienstlichen Feier) nicht mehr das organisierende und strukturierende Element einer Gemeinde ist, sondern dass dies die „missio dei“ übernimmt.
Großartig! Hat Michael in Essen auch gebracht. Ich hab’s immer so formuliert: Während wir der Mission nachgehen, geschieht Gemeinde (und damit auch die anderen Funktionen), aber das Ding der governing function drückt es klasse aus.
Zum Thema Gottesdienst: Ich hatte Michael gefragt, was er zu der These sagt: Je missionaler die Gemeinde, desto organischer ihre Form. (Hey, so eine Frage soll von einem organischen Fan erlaubt sein :-)).
Er stimmte aber völlig zu. Bei ihnen sehen die „Worship“-Settings auch eher so aus wie bei uns: Miteinander Essen, Leben teilen, Gott ehren. Zitat: „Wer würde nach der Erfahrung davon noch einen klassischen Gottesdienst wollen?“
Ein attraktionaler klassischer Gottesdienst im Konferenzmodell verleitet leider dazu, den Focus auf das Event legen (viel Energie fließt in die Vorbereitung und Durchführung), fördert zusätzlich Passivität (20/80) und behindert den Prozess, wirklich anzufangen, Gemeinde anders zu denken und zu leben.
Über einen anderen Grund, den attraktionalen Gottesdienst & Co abzuschaffen sprachen wir auch: Unser Leben wird einfach zu voll, wenn wir versuchen beides zu leben (attraktional und missional). Dafür haben wir weder die Zeit noch die Energie. Und damit wird eins von beidem geschehen: Entweder geschieht nichts (oder zu wenig) missionales oder aber es ändert sich und das attraktionale nimmt ab, weil es einfach nicht mehr so wichtig ist. So, Kommentar schon lang genug.
Keep up the good work, Marlin!
PS: Wusstest du, dass Dirk&Co den Godi letzten Monat abgeschafft haben? Way to go!
Ach du liebe Zeit! 🙂
Ich war schon lange nicht mehr in der Situation, davor zu warnen, in der ganzen missionalen Begeisterung etwas über das Ziel hinauszuschießen (eigentlich bin ich immer in genau der anderen Rolle), but here we go:
Erstmal finde ich interessant, dass es offenbar (wieder einmal) so ist, dass die Bereitschaft, bestimmte Formen von Gemeindearbeit (in diesem Fall den Gottesdienst) sehr schnell aufzugeben, gerade bei den Personen besonders hoch ist, die ansonsten eher vorsichtig ist, was ein Umdenken in zentralen theologischen Fragen angeht und dort eher evangelikal-orthodoxe Positionen ggü. den Gefahren der Emerging-Bewegung vertreten. Ähnlich war es ja auch schon bei der Willow-Bewegung, dass sich interessanterweise besonders viel Flexibilität in den Formen gerade bei den Gemeinden zeigte, die theologisch besonders konservativ denken.
Dann scheine ich Michael Frost völlig falsch verstanden zu haben, wenn ihr von ihm her für die Abschaffung des klassischen Gemeindegottesdienste argumentiert. Ich hatte ihn so verstanden, dass er das gerade nicht will.
Mir leuchtet auch noch überhaupt nicht ein, warum der Gottesdienst direkt (und anscheinend ausschließlich) auf Anbetung bezogen wird. Wenn man tatsächlich diese vier Begriffe von Frost und nicht mehr und nicht weniger nehmen will (was mir zwar nicht willkürlich, aber doch diskussionswürdig scheint), dann würden sich aus meiner Sicht alle vier Begriffe anbieten. Der Gottesdienst hat doch eine solche Vielfalt von Aspekten – das scheint mir eine gewaltige Verengung zu sein. Auch müsste gefragt werden, von welchem (auch organisatorischen Ort her) die Gemeinde denn dann gesandt wird, wenn nicht aus dem Gottesdienst heraus. Das evangelische Gottesdienstbuch übrigens geht von 4 Teilen des Gottesdienstes aus: der erste Teil ist Anbetung (Eingangsliturgie etc.), dann kommt Verkündigung und Bekenntnis (inkl. Predigt), es folgt das Abendmahl und dann Sendung und Segen. Da haben wir doch die 4 Michael-Frost-Aspekte in Reinkultur: Anbetung, Jüngerschaft, Gemeinschaft und Mission.
Kann es vielleicht sein, dass dieser ganze Frust mit dem Gottesdienst auch aus der Verarmung freikirchlicher Gottesdienstformen herrührt, die sich entweder auf Anbetung (charismatischer Typ), Jüngerschaft (evangelikaler Typ) oder Gemeinschaft (freikirchlich-traditioneller Typ) reduziert hat. Mein Tipp hier wäre, sich einmal beim Reichtum ritueller Formen in den Großkirchen und den verschiedensten ökumenischen Traditionen umzuschauen, bevor man den Gottesdienst abschafft.
Und dann würde mich noch sehr interessieren (denn das halte ich tatsächlich für sehr bedenkenswert), was es denn praktisch heißt, dass Mission zum organisierenden Element der Gemeindearbeit wird (diese Formulierung habe ich jetzt geschätzte 57 mal in der letzten Woche auf verschiedenen Blogs gelesen 🙂 ). Heißt das, wie in deinem Link, dass wir statt des Gottesdienstes in die Städte fahren und Essen verteilen (wie in deinem Link, Marlin)? Müssen wir dann mit unseren 400 Gottesdienstteilnehmern aus unserem Dorf nach Hamburg fahren, weil bei uns am Sonntag da gar kein Bedarf besteht (wir haben unsere Essenstafel die ganze Woche über am laufen)? Hinter „organisierendes Element“ muss ja noch ein bißchen mehr stecken und da bin ich schon sehr interessiert dran …
So, jetzt bin ich gespannt auf Reaktionen nach der ganzen Polemik 🙂
hm, ich bin nicht sicher, ob ich das hier Polemik nennen würde. Es geht mir nicht um das Bekämpfen von dem wie andere das machen oder krampfhaft ein Argument überziehen oder in erster Linie was zu kritisieren. Für mich ist es die ernsthafte Frage: wie können wir missional als Gemeinschaft leben? wie kann mission zum organisierenden Element werden?
Mir fällt auf, dass ein Gottesdienst fast immer den Schwerpunkt im System auf Sammeln legt und eine gewissen Passivität bei den Leuten fördert. Selbst wenn man Mission sehr ausführlich betont (wie ich das bei uns versuche), scheint die Form in Spannung mit der beabsichtigten Wirkung zu stehen. Und da ist einfach die Frage: könnte die Form sogar hinderlich sein? Wenn wir das zentrale Element des Systems Gemeinde ändern, vielleicht fällt es uns als Gemeinde dann leichter in Mission zu sein?
Wir müssen uns immernoch sammeln. Und immernoch die anderen Aufträge erfüllen.
Mir sind zwei Ansätze bekannt, die von den Strukturen missional ausgerichtet sein wollen – Cluster-Ansätze in Sheffield und Chorleywood. Und Church of the Savior in DC – http://www.inwardoutward.org/?page_id=7
@simon – würdest du sagen, dass die von dir beschrieben rituellen Formen den missionalen Gedanken in der Gemeinde fördern? Wo siehst du das?
Nein, Polemik sollte das bei mir auch nicht sein.
Vorab: Frage mich gerade, ob das Medium hier tatsächlich das Beste ist, um über sowas zu sprechen, vermute immer zuviele Missverständnisse.
Aber gut, ihr seid hier die Blog-Experten. Pfeift mich gerne zurück, wenn sich hier jemand persönlich angegriffen fühlt.
Ich stelle nur die Frage, ob das attraktionale System (völlig unabhängig von freikirchlichem oder landeskirchlichem Stil bzw. Liturgie) dem Ziel dient.
JÜNGERSCHAFT
Wenn unser Ziel ist, Jünger zu machen (Mt28), dann bezweifle ich, dass dies mit Programmen funktioniert (sei es Gottesdienst, Bibelstunde oder was weiß ich), dafür kenne ich zuviele Leute, die dieses Programm seit 10, 20 Jahren „besuchen“ und mir immer noch nicht erklären können, wie man zB gewinnbringend in der BIbel liest, betet, auf Gottes Stimme hört, Menschen von Jesus erzählen kann (kurz: Wie man sich selbst geistlich ernährt und andere dazu anleiten kann). Jüngerschaft lebt von Beziehungen und wird am besten nicht am grünen Tisch, sondern während der Mission gelernt. Dort ist man herausgefordert, braucht Gott, sein Reden, sein Wirken etc. Ohne ihn stehen wir da schnell im Regen.
GEMEINSCHAFT:
Auch da sehe ich nicht, dass die Gemeinschaft mit dem Hinterkopf des Vordermanns auch nur annähernd an das ranreichen kann, was man in einem organischen kleineren Setting erleben kann. Sorry, auch hier: Spitz formuliert, aber trifft es das nicht? Selbst Hauskreise, in die Teile wie Gemeinschaft und Jüngerschaft outgesourced werden sollen, bringen in der Breite nicht das Resultat, was sie bringen sollten. Auch da kenn ich genügend Leute, die darin seit 10,20 Jahren leben….
MISSION: Passiert wenn in Gottesdiensten doch nur mit den 15-20% Prozent der Bevölkerung, die damit erreicht werden können (davon sprach Michael auf der Konferenz auch), wenn sie es überhaupt tun. Ich kenne zuviele Leute, die mit noch so guten und mit viel Aufwand vorbereiteten Seeker-Godis zeitlich und kräftemäßig so dicht sind, dass sie gar keine Zeit mehr haben, Zeit mit denen zu verbringen, die Jesus noch nicht kennen. Das ist auch meine persönliche Erfahrung vor unserem Exodus.
ANBETUNG: Klar, das funktioniert, aber es ist ja auch das organisierende Element. Wäre peinlich, wenn das nicht passieren würde. Allerdings stelle ich auch hier die Frage, sinngemäß mit Hybels gesprochen: Warum werden unsere Arme, je länger wir sie zu Gott erheben nicht immer weiter für die bzw. strecken wir sie nicht immer stärker zu denen aus, die ihn noch nicht kennen?
Soviel zu den 4 Funktionen, wie ich sie in einem attraktionalen Setting sehe.
Nicht polemisch, sondern tatsächlich mit dem dringenden Herzen, dass Mission wieder passiert.
Noch ein Gedanke: Mir geht’s nicht darum, per se gegen etwas zu sein. Mir geht’s nur so, dass ich, weil ich FÜR etwas bin, bestimmte Dinge sehe, die dem hinderlich sind, wie zB der Gottesdienst. Aber ich will genauso betonen, dass das nur meine Einsicht ist. Wie ist das so schön: Ich bin davon überzeugt, dass ich recht habe, sonst hätte ich ja eine andere Meinung. 🙂
Mich würde genauso Marlins Frage nach den rituellen Formen und ihrer Auswirkung bzgl. der missionalen Auswirkungen interessieren.
@Marlin:
Das finde ich gut, dass du den Begriff des Sammelns hier bringst, weil der vielleicht weiterführt. Ich denke tatsächlich, dass Sammlung und Sendung unbedingt zusammengehören und ich nicht Sendung auf Kosten von Sammlung betreiben kann. Bei Frere Roger heißt das „Kampf und Kontemplation“ und ohne die von dir verlinkte Gemeinde jetzt genau angeguckt zu haben kann ich mir vorstellen, dass sich hinter „Inward/Outward“ ein ähnlicher Gedanke befindet.
Das gilt ja auch für mich persönlich als einzelner Mensch, dass ich dann besonders wirkungsvoll nach außen sein kann, wenn ich innerlich gesammelt bin und mich irgendwo Zuhause weiß. Deswegen habe ich gar nichts gegen Gottesdienste als Heimat und Ort der Geborgenheit.
Und in diesem Zusammenhang haben Rituale auch ihre wichtige Funktion als identitätsstiftende und vergewissernde Wegposten. Der Verdacht ist ja immer schnell, dass Rituale vielfach sinnentleert und damit weniger wären als das Wort, dass sie begleitet. Mein Erleben ist eher, dass sie viel mehr sind als das Wort. Nicht umsonst ist der Segen das beliebteste Element des Gottesdienstes bei Gottesdienstbesuchern – also das Element, das gerade Ritual und Sendung/Mission verbindet.
Achso, mit Polemik hatte ich meine eigenen Worte gemeint, weil ich am Ende meines eigenen Beitrags befürchtet hatte, vielleicht doch etwas scharf formuliert zu haben. Ich meinte nicht euch …
Es geht jetzt hier ein bisschen durcheinander und ich entschuldige mich für die Kommentarflut, aber jetzt sehe ich gerade, dass Dave und ich ungefähr zurselben Zeit geantwortet haben und sein Kommentar jetzt noch vor meinem steht – deswegen will ich da noch einmal drauf eingehen:
Wahrscheinlich gibt es immer bessere Medien, aber wir können uns ja nicht immer persönlich treffen, wenn Marlin einen interessanten Beitrag schreibt 🙂 Insofern ist das immer besser als gar keine Diskussion über dieses auch für mich wichtige Thema.
Ich selbst schreibe ja auch auf dem Hintergrund meiner Erfahrungen in den USA, in der meine Gemeinde, in der Mike Breen aus Sheffield Pastor ist, genau das versucht hat, den Wechsel von einer attraktionalem Gemeindemodell zu einem missionalen hinzubekommen. Und das nicht besonders erfolgreich, wenn man das mal so sagen darf und falls „Erfolg“ eine erlaubte Kategorie ist. Daraus schlussfolgere ich jetzt aber nicht, dass es nicht trotzdem die richtige Richtung ist, aber schon, dass wir sehr genau überlegen müssen, was das denn heißt, dass die Mission „das organisierende Element“ wird. Das klingt ja fein, aber was heißt es denn konkret?
Ich verstehe auch nicht ganz die Gegenüberstellung von Programmen und Mission bei dir, Dave. Letztlich wird man ja auch mit „Mission als organisierendem Prinzip“ irgendetwas machen und nicht nur „sein“. Und das ist dann ja auch wieder ein Programm. Im von Marlin verlinkten Beispiel organisiert sich die Gemeinde und verteilt Essen. Das ist natürlich auch ein Programm, nur ein anderes. Im Hinblick auf den Gottesdienst finde ich kann man immer fragen, wie man zum Beispiel den Aspekt der Gemeinschaft stärken kann, so dass man nicht nur den Hinterkopf des Vordermannes sieht, aber das allein spricht für mich noch nicht für seine Abschaffung.
Was ich in Amerika gesehen habe, war der konsequente Versuch, Gemeinde als „simple church“ zu leben. Nur das ganz wesentliche als Gemeinde zu machen, fast kein Programm mehr (nur Gottesdienst, Cluster und sozialdiakonische Erlebnistage). Die ganze freie Zeit, die gegenüber der programmorientierten Gemeinde, die ihre Glieder von morgens bis abends beschäftigt, eingespart werden sollte, sollten die Gemeindeglieder jetzt ganz missional an den Orten verbringen, wo sie sowieso sind. Beim Sport, mit Arbeitskollegen etc. Es stellte sich nur raus, dass die Leute gar nicht so recht wussten, wie man denn missional lebt. Aber sie wollten es gerne wissen – also hat man angefangen, doch wieder Jüngerschaftselemente einzubauen. Und in den Clustern wusste man auch nicht so recht, was man denn machen sollte außer zusammen grillen. Die haben sich entweder schnell aufgelöst oder sind wieder zu klassischen Hauskreisen geworden (nur mit weniger Tiefgang). Und wenn man es ganz nüchtern betrachtet, dann waren die sozialdiakonischen Tage mit Einsatz für die Armen und Hungernden in Sachen Nachhaltigkeit ein Witz und haben im Wesentlichen das Gewissen unserer weißen Gemeinde beruhigt.
Das heißt nicht, dass man das alles nicht viel besser machen kann, aber ich frage mich, ob nicht das, was wir zum Beispiel in unserer Gemeinde machen mit einer Betonung des Gottesdienstes als Ort der Sammlung und Vergewisserung und Heimat und dem tagtäglichen diakonischen Engagement, das ohne viel Brimborium passiert, nicht schon sehr nah dran ist an dem, was erstrebenswert ist. Ganz klassische Volkskirche eben.
Ihr hattet ja beide nach den Ritualen gefragt. Leuchtet das ein, was ich im vorletzen Kommentar geschrieben hatte?
Lieber Marlin,
so ein Schrott: Gottesdienste abschaffen. Das ist nicht nur übers Ziel hinausgeschossen, das ist gefährlich. Da halte ich es doch lieber mit dem Neuen Testament, wo man zwei Bilder von Gemeinde findet:
1. Versammlung (eher in den Briefen) und da spielt der Gottesdienst eine zentrale Rolle
2. Missionale Weggemeinschaft (in den Evangelien), wo die Mission die zentrale Rolle spielt.
Und in der Apostelgeschichte findet man schön beides nebeneinander.
Dieses „missional“ versus „programmorientiert“ ist eine Sackgasse. Es braucht beides. Frag mal die Berliner. Ohne Programme fehlen die Energieboosts, es führt zu Einzelkämpfertum, es fehlt die gemeinsame Identität!
Mach keinen Scheiss in Heidelberg …
Gottes fetter Segen
RöNee
That’s the point – „Es stellte sich nur raus, dass die Leute gar nicht so recht wussten, wie man denn missional lebt.“ Wenn man nach Jahrzehnten nicht weiß, wie man missional lebt, dann ist doch eine Frage natürlich, wie sinnvoll das ganze ist. Vielleicht ist der Gottesdienst ein Teppich, unter den man zu viel kehrt, um sich gut zu fühlen.
Vielleicht ist es wie beim Fußball – es gibt viele Experten, die mit Premiere oder Sportschau ganz nah am Ding dran sind. Sie kennen Philosophie, Spieler, Taktik, Geschichte. Aber können die spielen? Manche vielleicht schon, aber Fußballspieler brauchen Praxis (und freuen sich dann auch an den Übertragungen). wenn die gemeindeleute praktisch hilflos sind, dann ist doch die Frage – will man das so lassen?
@Rene – das war mit schöner schweizer Diplomatie ausgedrückt 🙂 Für mich ist das keine versus Diskussion. Eher eine Zieldiskussion. Wir haben Gottesdienst und mir macht das auch Spass. Wir werden das auch weiter machen. Aber ich sehe, dass es in manchem die Ziele eher hindert als fördert. Und da frage ich mich einfach, wie man vorangehen kann. (ich bin nicht mehr in meinen zwanzigern – keine Angst).
Ich glaube einfach nicht, dass es in unserer Gemeinde in den USA geklappt hätte, neben dem ganzen anderen, was schon abgeschafft war, jetzt auch noch den Gottesdienst abzuschaffen und das genau dadurch die Gemeindeglieder zu missionalen Menschen geworden wären. Vielmehr glaube ich, dass wir anfangen müssen, alles, was wir machen (alle Programme), missional zu machen. Ich glaube, dass es darum geht, missionale Gottesdienst zu feiern, missionale Gemeinschaft zu haben, Anbetung auch in ihrem missionalen Sendungscharakter zu verstehen und übrigens auch missionale (ganzheitliche) Mission zu betreiben. Deswegen missfällt mir die Gegenüberstellung von „Programm“ und „missional“. Das eine sollte das Adjektiv des anderen werden.
Es geht mir also mehr um die Gemeindekultur, ihre Werte, ihre Ausstrahlung – nicht um das Abschaffen und Neuerfinden besonderer Gemeindeformen. Ich kann mir höchstens denken, dass es in einer kleinen Vineyard-Gemeinde funktioniert, mal ein halbes Jahr mit Gottesdiensten auszusetzen, um ein Signal zu setzen und dann wieder neu zu beginnen. Für unsere Gemeinde wäre genau das aber eine riesige Katastrophe – man würde hunderte von Leuten vor den Kopf stossen, riesige Verletzungen bei ihnen auslösen, eine Unsicherheit porduzieren, die man nicht wieder in Ordnung bringen könnte. Das wäre seelsorglich völlig unverantwortlich und man bräuchte wahrscheinlich Jahre, um das seelische Chaos wieder aufzuarbeiten. Deswegen sehe ich darin für einen Großteil von Gemeinden keinen Sinn.
Zum Thema Schweizer Diplomatie sage ich nur „Holzviadukt“ oder doch lieber „Steinbrück“ 🙂
Ich habe einfach reagiert auf diesen Satz „Jetzt müsste man nur noch einen Weg finden, den Gottesdienst abzuschaffen.“ Das tönt für mich eben doch nach „missional versus programmorientiert“ oder wie immer man das zweite nennen will. Ich habe die letzten Wochen verschiedene Gespräche über dieses Thema geführt (in der Schweiz war die Konferenz mit Frost). Und mir fällt halt einfach auf, dass meist das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Das Entscheidende in meinen Augen ist, wohin unsere Programme zielen, welche Werte und Kultur sie transportieren. Ohne die Dynamik des Zusammenkommens und Feierns fehlt es an Inspiration und Identität. Und die brauchen wir um missional zu leben!
Hallo Leute,
habe mir lange überlegt, ob ich einen Kommentar schreibe – ich versuche es einmal.
Ich bin mir nicht so sicher und daraus resultieren für mich einige Fragen, die ich einfach mal in die Runde werfe:
1. Kennt jemand einen neutestamentlichen Auftrag zum Feiern von Gottesdiensten? Gibt es wirklich eine Stelle in der steht: Trefft Euch regelmäßig mit allen, um eine Veranstaltung abzuhalten? Nicht, dass es unbedingt eine biblische Legitimation für eine kontextuelle Anpassung geben müsste. Dennoch wäre eine Studie hierzu mal interessant, weil sie evtl. eine Gewichtung aufzeigt. Tradition und Rituale, wie Simon sie vorschlägt sind hier wenig hilfreich, denn sie zeigen vergangene Kontextualiserungen, was auch hilfreich ist, aber eben noch begrenzter. Meine erste Frage also: Welche Gewichtung finden wir in der Bibel, vor allem im Neuen Testament in Bezug auf Gottesdienste?
2. Ist missional das neue Buzzwort? Ich lese immer weniger über „Emerging Church“ und immer mehr über „missional“, was ich zunächst mal positiv finde. Dennoch wird eine schärfere Definition des Wortes sinnvoll. Das Beispiel wäre, dass eine missionale Gemeinde in einem Kontext, der in Programmen funktioniert auf jeden Fall Programme entwickeln wird, sonst läuft sie an ihrem Kontext vorbei. Missional vs. Programm ist daher keine Frage und eins nicht allgemeingültig das Adjektiv des anderen, sondern vielmehr kann Programm Ausdruck der Missionalität sein, abhängig vom Kontext – hier kommen wir nicht um die inkarntorische Frage herum. Missional inkarniert in eine kontextuell bestimmte Form. Wie auch immer diese aussehen mag. Hier urteilen wir viel zu schnell über „missional“ oder „nicht missional“ anhand von Formen. Erst wenn wir in der Umwelt leben und von innen her beurteilen können, ob eine Form „passt“ oder „kommuniziert“ oder nicht, sind wir in der Lage die „Missionale Frage“ zu beantworten. Meine zweite Frage ist also:
Wissen wir wirklich, was „missional“ ist oder haben wir hier Nachholbedarf?
3. „You must unlearn, what you have learned“ (Yoda, Star Wars Teil V) Seien wir ehrlich: Wir haben eine christliche Kultur erlernt, ererbt, eine reiche Kultur, eine zugrunde liegende „Systems Story“ (Lesenswert dazu: A Crash Course in Chaos von Alan Hirsch: http://leiterschaft.de/emergentes/2007/03/16/crash-kurs-chaos/)
Der Prozess des „Verlernens“ muss am Anfang stehen, denn sonst haben wir ein Paradigma im Kopf, genau wie unsere ganze Gemeinschaft. Natürlich werden Leute rebellieren, wenn man ihnen den „Gottesdienst“ wegnimmt. Das hat etwas mit „Heimat“ „Kultur“ und „Erziehung“ zu tun. Hier muss man viel „verlernen“, um etwas neuem Platz zu machen, wenn es denn der missionale Weg ist. (Auch hier wieder: Wie ist der Kontext?) Ich glaube, dass es für viele ein Weg sein kann und vermutlich muss neue Kontexte aufzusuchen. Dazu muss man viel verlernen, sonst nimmt man seine „Heimat“ immer mit. Und das führt dazu, dass man nicht richtig heimisch wird. Jeder, der eine komplizierte, fremde Sprache gelernt hat, weiß von was ich rede. Wenn man sich nicht auf die Denkweise der Fremden Kultur einlässt, wird man sprachlich an seine Grenzen kommen. Und man reflektiert in der Fremde deutlicher über seine eigene Kultur.
Meine dritte Frage ist also: Wie können wir einen sinnvollen Prozess des „Verlernens“ anstossen und begleiten, damit wir neuen Wein in neue Schläuche füllen können? Und das muss Teil einer jeden Gemeinde sein, die Luthers „Ecclesia reformata et semper reformanda“ ernst nimmt.
4. Wie konkret darf das bei uns werden? Bei mir? Ist uns bewusst, dass Nachfolge nicht nur unser ganzes Leben umfasst, sondern auch kostet? Jesu Ruf in die Nachfolge (Lk. 9: http://www.bibleserver.com/act.php?text_ref=42009023) verlangt Selbstverleugnung. Nicht mehr ich, sondern er. Das fordert uns nicht nur praktisch heraus, sondern auch geistlich müssen wir von der Couch der Wohlfühltheologien aufstehen und praktisch werden. Das bringt uns (mich persönlich) an unsere Grenzen und über diese hinaus. Ich habe Achtung vor den Menschen, die sich mit ihrem ganzen Leben einsetzen, um sich auf diesen gefährlichsten aller Wege zu begeben: Denn das sichere ist, dass wir uns selbst verlieren werden in der Nachfolge. Das Sichere ist das Kreuz, das Sichere ist unser Leben zu verlieren. Das hat Jesus offen und klar gesagt. Das erfordert Demut (da steckt Mut drin) und eine Haltung, die immer lernen will und immer praktisch umsetzt. Meine letzte Frage ist: Wie lebst Du im Moment? Wie wird das was Du sagst praktisch, greifbar, fühlbar? Wie gewinnt Gott Gestalt in Deinem Leben und in dem Deiner Gemeinschaft?
Ich hoffe dieser Beitrag hilft ein wenig weiter – ein Vorschlag an alle Leser: Nehmt doch mal diese 4 Fragen auf und beantwortet sie auf Eurem Blog. Ich bin sehr an den Antworten interessiert und werde diesen Kommentar und einen Link auf den Post von Marlin auf meinen Blog stellen. Verlinkt das und ich lese das gern und versuche es aufzunehmen. Ich würde mich freuen, wenn wir konkret werden und in Deutschland viele veränderte Gemeinschaften entstehen, die sich gefährliche Fragen stellen. Und unsere kleine, deutsche Welt verändern. Gemeinschaft für Gemeinschaft, Kultur für Kultur, Nachbarschaft für Nachbarschaft.
Ich möchte auch mit dem letzten Satz – “Jetzt müsste man nur noch einen Weg finden, den Gottesdienst abzuschaffen.” – in die Diskussion einsteigen. Der ist so schön provokant. 🙂
Ich sehe die Herausforderung nicht im Gottesdienst. Der mag es jetzt sein. In 30 Jahren wäre es die ‚Mission‘, die ein ungutes Übergewicht bekommen hätte. Mir fällt auf, dass bei den Modellen immer eine Vorraussetzung zu gelten scheint: Jeder ‚Teilnehmer‘ macht sein Ding und dann gibt es Punkte, an denen sich die Gemeinde trifft. Das kann bei dem einen der Gottesdienst sein, bei anderen sind es meinetwegen dann missionale Entwicklungen, beim dritten der WG Abend. Die „Regel“ die aber meist gilt, ist: Lebe dein Leben, solange du beim Gottesdienst/missionalen Aktionen/Bier trinken mit allen etc etc. dabei bist.
Und da liegt für mich das Problem: Gemeinde muss eine entschieden andere Art zu leben sein dürfen. Ob diejenigen, die um Jesu Willen dann entschieden anders und neu leben, sich in einem Gottesdienst, WG Abend oder sozial-missionalem oder bei etwas anderen begegnen, ist dann die sekundäre Frage.
Wenn Gemeinde nicht von diesem eigentlichen lebt, nämlich eine Sammlung derer zu sein, die mit einem entschieden anderem Leben Jesus Nachlaufen. Dann wird auch die Wahl des „Sammlungstools“ (Gottesdienst, Hauskirche, DTS etc) nicht grundlegend einen langfristigen Unterschied machen.
Ich denke, dass ein Ungleichgewicht zw. missionalem Leben und Gottesdienst/Sakramenten eher auf dieses tiefe Missverständnis bzw. Problem hinweist.
Auch wenn es mein Lieblingsthema ist: Aber als Inspiration möchte ich nur auf die enorm präsente Rolle im sozialen, diakonischen und gesellschaftlichen Leben der Kommunitäten und Klöster hinweisen. Ohne diese gäbe es quasi keine sozial-diakonische Arbeit in Europa. Und gerade da finden wir ein sehr tiefes, häufiges und intensives Gottesdienstleben.
Es muss sich also in keinster Weise um einen Widerspruch handeln: Nur wie bewegen wir uns und unser Umfeld in eine neue Art so komplett und umfassend anders zu leben? Denn da gebe ich Marlin total recht: Wenn keiner mehr Fussball spielt, kann man auch bald die Sportschau abschaffen. (Obwohl ich das ja gestern mit dem 4:0 sehr unterhaltsam fand.)
tja, hätt ich björns comment schon gesehen, hätte ich mir ein paar Sätze sparen können. 🙂
Da ich Blog-los durchs Leben gondle beantworte ich auf Marlins Blog die Fragen von Björn (ich habe mal einen Blog begonnen und gemerkt, dass ich vor lauter „missional leben“ gar keine Zeit dafür habe *grins*):
1. „Kennt jemand einen neutestamentlichen Auftrag zum Feiern von Gottesdiensten?“
Diese Frage erstaunt mich schon ein wenig … Die „Liturgie“, das Zusammenkommen rund um das Feiern von Gottes Handeln in der Welt, ist im AT und NT so zentral für die Gemeinde, dass ich an gar kein Ende komme … In der Apostelgeschichte beginnt’s damit. Das Resultat von Pfingsten ist eine Gruppe von Menschen, die – unter anderem – jeden Tag zusammenkommt im Tempel und zu Hause um zu feiern, zu beten, Gemeinschaft zu haben, zu lernen. Im 1.Korinther 11, 12 und 14 werden Dynamiken rund um den Gottesdienst in Korinth beleuchtet. Interessant dazu ist 14,26: „Wenn ihr zusammenkommt“. Dieses kleine „wenn“ ist im griechischen nicht „für den Fall, dass“, sondern „jedes Mal wenn“ und beschreibt eine sich immer wiederholende Geschichte. Ich könnte hier locker noch zehn weitere Texte zitieren …
Also wenn man die Frage danach stellt, was denn im NT wie gut belegt aufgetragen wird, dann müsste die Frage eher lauten: „Warum findet sich in den Briefen nicht ein einziger klarer Aufruf andere Menschen zum Glauben zu führen?
2. „Wissen wir wirklich, was “missional” ist oder haben wir hier Nachholbedarf?“
Dieser Abschnitt gefällt mir! „Missional inkarniert in eine kontextuell bestimmte Form.“ (nur so als Gedankenspiel: setz diesen Satz mal einem durchschnittlichen Bürger Deutschlands oder der Schweiz vor, dieses Gesicht möchte ich filmen!) Ich bin sicher, dass „missional“ nicht scharf definiert ist. Wäre auch schade, dass jetzt schon zu tun. Können wir dann machen, wenn wir in die zweite Generation gehen und die Geschichte bereits anfängt ein Fossil zu werden. Im Moment ist „missional“ wohl ein Begriff, in dem sich verschiedene Sehnsüchte und Aufbrüche kristallisieren. Gemeinsam ist ihnen, dass sie „jesusmässig leben in der Postmoderne“ neu klären wollen und dass sie das mehr an der Mission Jesu als an traditionellem kirchlichem Leben aufhängen.
3. „Wie können wir einen sinnvollen Prozess des “Verlernens” anstossen und begleiten, damit wir neuen Wein in neue Schläuche füllen können?“
Da bin ich noch überfragt. Habe erst damit angefangen … vielleicht steckt das Geheimnis einfach darin, die richtigen Fragen zu stellen? Fragen, die sich nicht in den traditionellen Denkmustern verfangen („Wie viele Leute sitzen am Sonntag im Gottesdienst?“) sondern tiefer zielen. „Würde Jesus beim Gründen einer neuen Gemeinde das „Band Bühne Kinderdienst“ Modell wählen oder nicht eher etwas leichtgewichtigeres, das keine „Rock Stars“ braucht, damit es funktioniert?“ Das war die erste Frage, die mir geholfen hat, Dinge zu verlernen.
4. „Wie lebst Du im Moment? Wie wird das was Du sagst praktisch, greifbar, fühlbar? Wie gewinnt Gott Gestalt in Deinem Leben und in dem Deiner Gemeinschaft?“
Das war die zweite Frage, die mich ins Grübeln gebracht hat. „Wer will mein Leben? Nicht meine Predigten oder meine Programme, sondern mein Leben?“ Autsch!
Ich schreibe meinen Kommentar lieber hier, damit der Zusammenhang erhalten bleibt.
Die Ausgangsfrage hinter dieser Diskussion scheint mir zu sein: ist der real existierende, landes- oder freikirchliche Sontagmorgengottesdienst für missionale Gemeinden eher ein Hindernis, so dass man ihn abschaffen sollte? Und zwar unabhängig davon, ob er gut oder schlecht gemacht ist, was da gepredigt wird, welche Musik da spielt.
Wenn man so fragt, lehnt man sich an MacLuhan an: das Medium ist die eigentliche Botschaft. Das ganze Setting (anders gesagt: das Ritual) redet viel lauter als die Predigt. Was also kommuniziert das Medium „Gottesdienst“ vor allen Inhalten (und, wichtiger noch, was nicht)? Und zwar nicht dem Anspruch oder der Absicht nach, sondern real!
Der real existierende Gottesdienst ist eine Veranstaltung. Veranstaltung heißt: vorne gibt es ein Programm, die anderen hören zu. Das Programm steht vorher fest und wird nur sehr selten spontan geändert. Wenn es gut geht, vollziehen die Zuhörer das Programm innerlich mit (Gebete zB) oder lernen etwas. Kommunikation unter den Zuhörern gibt es wenig. Manchmal macht man etwas gemeinsam (Singen zB), aber man spricht nicht miteinander. Vorher und nachher vielleicht, aber eben nicht im Gottesdienst.
Damit hat der Gottesdienst von der Form her seine nächsten Parallelen etwa in einem Konzert oder einer Theateraufführung. Das ist ja an sich nichts Schlechtes, aber es ist die Frage, ob neutestamenliche Gemeindeversammlungen Gottesdienste in diesem Sinn waren. Da stand der Ablauf anscheinend überhaupt nicht vorher fest, wenn man von einem groben Rahmen absieht. Da konnten auch ungeplant Konflikte aufbrechen. In einem normalen Gottesdienst würde das heute als höchst deplatziert empfunden.
Zu einer Veranstaltung gehe ich für eine begrenzte Zeit, dann gehe ich wieder meiner Wege. Ein Konzert kann erbauen und stärken. Aber es macht nur selten Menschen zu Verkündern der frohen Botschaft von der Macht der Musik. Das überlässt man den Profis. Und keiner käme auf die Idee, zwischendurch mal im Orchester mitzuspielen (ist auch besser so).
Insofern denke ich, dass die Form „real existierender Gottesdienst“ tatsächlich kommuniziert, dass es reicht, eine Botschaft zur Kenntnis zu nehmen und/oder ein gefühlsmäßiges Ereignis zu erleben; dass es aber nicht unbedingt notwendig ist, aktiv daran beteiligt zu sein oder gar eine andere Art von Leben zu führen.
Die Frage ist allerdings, in welcher Form sich eine missionale Gemeinde besser ausdrücken könnte. Dass wir da noch sehr am Suchen sind, macht die Stärke des Gottesdienstes aus: die fehlende überzeugende Alternative.
Insofern verstehe ich es, wenn eine Gemeinde sagt: wir lassen jetzt die Gottesdienste einfach weg und zwingen uns dadurch, etwas Neues zu entwickeln. Das ist wichtige Pionierarbeit. Natürlich kann da eine kleine Gemeinde eher mal frei experimentieren als eine große (wobei natürlich deine Vikariatsgemeinde mit 400 Gottesdienstbesuchern nicht typisch für hannöversch-landeskirchliche Verhältnisse ist, Simon!).
Halbernste Schlussbemerkung: Wenn schon Gottesdienst als Veranstaltung, dann sollte man sich vielleicht eher an Fußballspielen orientieren: sie sind spannender, weil Verlauf und Ergebnis meistens nicht vorher feststehen; die Liturgie ist spontaner; es gibt Angebote von Kleingruppen (Fanclubs); und vor allem ist ein Spitzenspiel wirklich nur ein Aushängeschild: die Spitze einer breiten Vereinsbasis, die letztlich wichtiger ist als Bundesliga und Sportschau.
Ich habe nochmal einen zusammenfassenden Artikel geschrieben, der aber so lang geworden ist, dass er hier deplaziert gewesen wäre – aber vielleicht erklärt er manche meiner Gedanken, die hier noch etwas konfus sind, noch besser im Zusammenhang:
http://www.pastorbuddy.de/kirche/73-kirche-der-zukunft/367-missional-ein-versuch
@Markus: Die Klöster finde ich auch ein gutes Beispiel. Ich finde, da sieht man auch schön, wie inward/outward oder Diakonie/Gottesdienst zusammen gehören. Wie du glaube ich, dass es nicht um die Veranstaltungen geht, sondern um den Geist, in dem die Gemeinschaft/Gemeinde lebt – ihre Werte, ihre Kultur. Letztlich, und das ist schön, dass du ihn nennt, ihr Nähe zu Jesus – dem, der selbst den neuen Weg gelebt hat, dafür gekreuzigt wurde und heute als Auferstandener Herr unserer Gemeinde ist.
@Walter: Eine Veranstaltung wäre es doch immer noch, wenn alle miteinander reden, das Programm jedes Mal ein anderes ist und man schön streiten kann, oder? Man würde doch wahrscheinlich trotzdem zumindest festlegen, wann man damit anfängt? Ich stimme dir aber völlig zu im Hinblick auf McLuhan und die Bedeutung des Mediums. Und dass das nicht normal mit 400 Gottesdienstbesuchern weiß ich schon auch 🙂
@Simon:
Das wäre aber keine Veranstaltung im von mir gemeinten Sinn mehr, und ein Gottesdienst im landläufigen Verständnis auch nicht mehr. Wenn unsere normalen Gottesdienste so wären, dann würden wir hier ganz andere Diskussionen führen. Natürlich kann man alle Begriffe unheimlich dehnen, aber dann sind sie nicht mehr trennscharf. Klar, man könnte eine mitternächtliche Session in einer Kneipe, wo schließlich auch ein paar Gäste zu den Instrumenten greifen, auch Konzert nennen. Aber es ist eigentlich nicht mehr das, was man sich unter „Konzert“ vorstellt.
Walter, was bin ich dir dankbar für deine Gedanken, ich hatte schon aufgegeben.
Aber nun dennoch ein paar Gedanken, die hoffentlich helfen.
Zuerst @Simon:
Ich bin mir völlig bewusst, dass es völlig unrealistisch ist, dass eine Landeskirche ihren Gottesdienst cancelt. Selbstverständlich würde das Leute überfordern und du wärst vermutlich schnell deinen Job los. Wenn das überhaupt geht, keine Ahnung.
Aber das ändert doch nichts daran, dass man Sachen nicht grundsätzlich in Frage stellen sollte, die Jahrzehnte lang zu keinen befriedigenden Ergebnissen geführt haben.
Genau das, was Walter beschreibt, ist mein Anliegen: Der Gottesdienst verleitet dazu (und hat auch in der Vergangenheit dazu geführt), dass man zur „Kirche geht“, dass man Passivität erlernt. Das sieht auch in Freikirchen nicht anders aus, völlig unabhängig davon, wie die Liturgie aussieht. Jemand, der jeden Sonntag zum Gottesdienst kommt, seinen Zehnten zahlt und nicht durch fremde Betten hüpft, wird doch schon als gutes Gemeindeglied angesehen. Wenn er/sie sich obendrein in einer Gemeindearbeit noch engagiert: Super, da haben wir das perfekte Gemeindemitglied.
Aber das ist doch weit davon entfernt, dass Leute „on mission“, sprich missional unterwegs sind.
Die meisten Gemeindeaktivitäten sind doch in der Regel sowieso nach innen focussiert.
Vielleicht hilft es, aus unserer konkreten Praxis zu erzählen:
Es ist ja kein Geheimnis, dass wir organische Gemeindegründung machen. Und ja, das bedeutet, dass wir missional bei den Leuten zu Hause im Wohnzimmer sitzen, mit ihnen über ihr Leben und die Bibel reden. Aktuell haben wir 4 von diesen „Bibelgruppen“.
Aber das heißt natürlich nicht, dass wir keine eigenen Treffen mehr hätten. Selbstverständlich treffen wir uns als Kerngemeinde, in der Regel sonntags zum Frühstück, wir essen, teilen das Leben miteinander, erzählen, was wir mit Gott erlebt haben, beten für einander, beten für die, die mit Jesus noch nicht unterwegs sind, die wir begleiten und vieles mehr.
Ist dieses gemeinsame Treffen wichtig für uns? Absolut, aber ist dieses Treffen eine „Veranstaltung“, in der man sich passiv zurücklehnen kann und sich anhören kann, was „da vorne“ irgendjemand sagt. Natürlich nicht, bei uns gibt’s kein „da vorne“, wir sitzen um einen Tisch rum oder in einer Sofarunde und jeder ist gefragt. Ich hab schon seit dem Start in unserer Runde keine Predigt mehr gehalten und dennoch sind alle weitaus mehr geistlich gewachsen als in den Jahren zuvor, in denen wir brav in einen Gottesdienst gegangen sind und Predigten von Leuten „da vorne“ gehört haben, manchmal auch von mir. 🙂 Von unserer Außenwirkung damals gar nicht zu reden.
Thema Verlernen:
Ein ganz wichtiges Thema. Meines Erachtens „verlernt“ man etwas erst dann, wenn man es nicht mehr macht.
Wenn Leute bei Neil in Kalifornien ein Praktikum machen wollen, sagt er: Okay, aber 6 Monate lang geh in keinen Gottesdienst, höre keine Predigt, hör kein christliches Radio, lies kein christliches Buch (außer der Bibel) und lern dabei, selbst deine Beziehung zu Gott zu pflegen.
Das mag sich radikal anhören, aber meines Erachtens braucht es genau das.
Als wir mit organische Gemeinde vor gut 4 Jahren begannen, haben wir ebenfalls das durchgemacht, was Neil „Detox“ (Entgiftung) nennt. Auch wieder ein krasses Wort, über das sich schon viele aufgeregt haben, aber genau das war es:
Das christliche System oder wie Hirsch/Frost es nenen „das Christentum“ musste aus unserem Leben raus. Das hat sich blöd angefühlt, wie selber Schwimmen lernen und den sicheren Rand loslassen, aber nach einer Zeit merkten wir, wie befreiend das war.
Und wieviel Zeit wir auf einmal hatten, um Zeit mit denen zu verbringen, die Jesus am meisten vermisst.
Und wir merkten: Wenn wir nichts unternehmen, dann passiert auch nichts. Da hieß es: Raus in unseren Stadtteil.
Früher waren wir mit unseren Gemeindeaktivitäten gut beschäftigt und selbst wenn es völlig irrelevant für die Welt da draußen war und kein Mensch kam (attraktional pur), gab es immer noch was, über das man sich freuen konnte: Das Programm war liebevoll gestaltet, die Predigt kam gut an, die Deko war nett, die Theatergruppe hatte ihr Stück gut gemacht, die Band hatte ……
Und welches Leben hatte es wirklich verändert?
Jetzt sind wir massiv im Leben derer investiert, die nie einen Fuß in eine Kirche setzen würden und die merken: Ich bin ja Kirche (Nein, nicht jeder für sich, ihr wisst schon), ich kann das hier und jetzt mit den Leuten leben, die ich ohnehin schon kenne und mit denen ich unterwegs bin. Mission wird zum prägenden Kennzeichen aller Aktivitäten.
Das ist für mich missional, nix anderes.
Noch zu Björns 1. Frage (Grüße an meinen Novavox-Kollegen):
Lasst uns da nicht zu schnell mit unserer Brille antworten. Apg 2 passt meines Erachtens hier überhaupt nicht.
Ein fittes Buch dazu ist „Pagan Christianity“ von Viola und Barna, die erste Ausgabe von Viola gibt es auf gloryworld.de auch auf deutsch:
Frank Viola:Der krumme Weg
Heidnische Einflüsse im Christentum / Über die Ursprünge unserer Gemeindetraditionen
Darin wird schnell deutlich, woher unsere jetzige Form der Gottesdienste kommen.
So, jetzt ist aber mal gut, bin vermutlich für einen Kommentar eh zu lang sorry! Jaja, Marlin, mein Blog kommt ja demnächst. 🙂
@David: Die Verzweiflung ist ganz auf meiner Seite und ich schreibe jetzt auch meinen letzten Kommentar, weil ich nicht das Gefühl habe, dass wir inhaltlich vorwärts kommen, sondern sich die Argumente wiederholen und nicht zusammenfinden. Vielleicht ist es noch zu früh dazu und auch ein Ergebnis dessen, dass hier Menschen miteinander diskutieren, die zum Teil eine Entgiftungsphase durchgemacht haben und zum Teil nicht. Das gibt es ja bei anderen Formen der Entgiftung auch, dass die Phasen danach nicht unbedingt zum Dialog beitragen, weil auf der einen Seite das Gefühl vorherrscht, nicht verstanden zu werden, welche Radikalität eigentlich notwendig ist und auf der anderen Seite die Haltung eher die ist, dass nicht jeder Mensch eine Entgiftung braucht.
Dass du einfach pauschal (und damit auch u.a. unserer Gemeinde) unterstellst, der Gottesdienst habe jahrzehntelang zu keinen befriedigenden Ergebnissen geführt (ich nehme an, damit meinst du das Erlernen einer missionalen Grundhaltung?), finde ich einigermaßen frech, ein wenig verletzend und undifferenziert. Ich selbst kenne Gemeinden, in denen ich das auch so sagen würde, aber mehr Gemeinden, für die es nicht zutrifft. Deine Erfahrung mag die umgekehrte sein – das rechtfertigt aber nicht solche pauschalen Urteile.
Ich stimme dir und Walter völlig zu, dass der Gottesdienst zu Passivität verleiten kann. Nicht aber notwendig muss. Ich würde mich in der von dir beschriebenen (freikirchlichen?) Gemeinde mit ihrem Gottesdienstprogramm auch nicht wohlfühlen (und habe das in verschiedenen Kontexten so erlebt), allerdings wäre das, was du als euren missionalen Ansatz beschreibst, für mich auch ein Alptraum. Ich würde für eure Wohnzimmertreffen genau die gleiche Gefahr im Hinblick auf Passivität (nicht in der Gruppe in Sachen Kommunikation, sondern nach außen) sehen, wenn nicht sogar noch eine höhere, wenn auch vielleicht nicht in den ersten zehn Jahren.
Ein Unterschied zwischen uns mag auch darin bestehen, dass ich dieses Leben nur unter Christen und ohne die Leute, „die Jesus am meisten vermisst“ nur aus meinen freikirchlichen Zeiten kenne. Ich habe jeden Tag in den unterschiedlichsten Kontexten Kontakt mit vielen Gemeindegliedern, die näher oder weniger nahe an Jesus und der Gemeinde dran sind. Und darüber hinaus auch mit solchen, die konfessionslos sind. Und das gilt nicht nur für mich als jemand, dessen Beruf das ist, sondern auch für unsere Gemeindeglieder: Das passiert in Kindergottesdiensten, die in Dorfgemeinschaftshäusern stattfinden, Hausabendmahlen in Wohnzimmern, Frauenkreisen in Wohnzimmern, Jungscharen auf den Dörfern, Kinderbibelwochen, 20 Freizeiten pro Jahr, unsere Kindertagesstätte, Tanzgruppen, Krabbelgruppen, Familiennachmittage, Männerkneipenrunden, Geburtstagsbesuchdiensten, Singegruppen, die Heime besuchen, die Diakonische Hilfe, die ehrenamtlich Hilfe für Pflegebedürftige und deren Familien organisiert, das Blaue Kreuz, der Hospizdienst, Besuche und Andachten in Pflegeheimen und Krankenhäusern, unsere Tafel, unsere Kleiderkammer, Kreise für Eltern von behinderten und kranken Kindern, von pflegenden Angehörigen, von Frauen in schwierigen Lebenssituationen, von verwaisten Eltern und und und. Auch das ist landeskirchliche Realität. Unser Problem ist beileibe nicht, dass wir nicht nahe an den Menschen dran wären, die „Jesus am meisten vermisst“. Genau da spielt sich ein Großteil unseres Gemeindelebens ab. Für mich persönlich durch die ganzen Kasualien natürlich nochmal viel mehr.
Wenn organisch/missional jetzt bedeuten soll, dass wir alle Hauskirchen brauchen (ich hoffe und glaube, dass du das nicht gemeint hast), dann wäre meine persönliche Vorstellung von Hölle schon hier auf Erden verwirklicht 🙂 <– nicht ganz ernst nehmen bitte. Ich denke übrigens auch nicht, dass wir ausschließlich Treffen in der Gemeinde brauchen, in denen alle miteinander reden. Bei Joe Myers kann man lernen, dass wir öffentliche Räume genauso wie soziale und private und intime brauchen – anders gesagt: die öffentliche Kultfeier ( a ka im Stadion sitzen und Fußball gucken) hat auch seinen Platz in der Gemeinde genauso wie der Hauskreis oder die Hausgemeinde, in der persönliche Dinge ausgetauscht werden. Wenn es nur noch den öffentlichen Bereich gibt, wird es problematisch. Ebenso wenn wir ausschließlich im Privaten landen – die erste Gefahr sehe ich eher bei uns, die zweite eher bei euch.
So, und jetzt ist gut gewesen. Vielleicht war da noch was bei – ansonsten kommt vielleicht nochmal eine bessere Zeit und ein besserer Ort, an dem man darüber sprechen kann.
Also zuerst einmal: Simon, sollte ich dich verletzt haben, dann bitte ich hier um Entschuldigung.
Und mal einen Schritt mit Abstand betrachtet: Welchen Revolutionär kennst du, der ausgeglichen, jede kleine Ausnahme abwägend und ohne zu pauschalisieren seine Thesen vertreten hat? Wenn du solche ausgeglichenen unangriffigen Thesen suchst, suchst du bei mir falsch, da bräuchtest du ein Panel von Theologen um einen grünen Tisch. Dann aber kommen so wenig vielsagende 12 Thesen zu missionaler Gemeinde heraus, wie wir sie kürzlich erst lesen konnten. Nichts gegen IGW, sie haben ja schließlich Michael nach Deutschland bzw in die Schweiz geholt, aber die Thesen? Meines Erachtens ein ziemlich blutleeres Papier, das jeder abnicken kann, aber gerade darum nicht viel verändern wird.
Pauschalisiere ich in meinen Aussagen? Selbstverständlich? Trifft es nicht überall 100%ig zu? Ist mir völlig bewusst.
Aber pauschalisiere ich ohne Grund? Ich denke nein. Schau dir nur die Statistiken an.
Wie ist die Mitgliederentwicklung der großen institutionellen Kirchen? Und damit meine ich Landes- wie Freikirchen. Ich schau in unser Jahrbuch (der Baptisten) und mir grausts. Selbstverständlich findet sich oder da ein Lichtblick, aber in der Summe?
Oder pauschaler: Wieviele Christen gab es vor 100 Jahren in Deutschland? Einfach aus dem Bauch geschossen – jetzt völlig ohne Statistiken. Wähle Zahl X.
Wieviele gab es vor 50 Jahren, wähle Zahl Y. Und wieviele gibt es heute? Wähle Zahl Z.
Ich würde wetten, dass wir vielleicht bestenfalls bei X=Y=Z liegen, wohl aber eher bei X>Y>Z. Und da ist was falsch.
Und daher kritisiere ich pauschal das institutionelle System. Wir nutzen seit 100 Jahren ein System als Vehikel, damit mehr Menschen zu Christen werden (gar nicht zu sprechen von sich reproduzierenden, selbsternährenden Jüngern) und unser Ergebnis kennen wir. Da ist es doch angebracht – und darf zumindest erlaubt sein, das System deutlich zu hinterfragen.
Wahrscheinlich melden sich bei mir auch einfach viel mehr mit dem institutionellen System frustrierte Menschen als bei dir. Und mein Ziel ist auch gar nicht, das alte System zu reformieren, da sind andere gefragt und berufen. Die Ausgangsfrage war: Lohnt sich die Abschaffung des Gottesdienstes? Und meine Aussage war: Ja!
Natürlich wird das an vielen Stellen nicht möglich sein. so vermutlich auch bei dir.
Aber bin ich davon überzeugt, dass attraktional und missional sich in Reinform ausschließen? Auf jeden Fall. Und ja, da kann man anderer Meinung sein, aber vermutlich wirst du bei diesem Punkt auch Alan & Michael widersprechen. Darfst du, kein Problem.
Aber ich bin dennoch der Meinung, dass je missionaler eine Gemeinde wird desto organischer die Form.
Und bin ich dafür, dass wir nur noch organische einfache Gemeinden haben sollen? (Mag den Begriff Hauskirchen nicht) Natürlich nicht. Aber bin ich der Meinung, dass missionale organische einfache Gemeinden besser sind als große attraktionale institutionelle Gemeinden?
Die Antwort kannst du dir denken.
Aber das soll auch von mir mal ein Punkt sein. Wünsche dir viel Segen in deiner Gemeinde.
Und uns allen gesegnete Ostern!
Marlin, dank dir für das Anstoßen dieser anregenden Diskussion.
blogs eignen sich wohl zum leichten Missverstehen oder überinterpretieren. Ich schätze die Dikussion und danke euch. Wir sind gemeinsam am Thema dran und wollen keine Kurschlussreaktionen, Reaktivismus oder reine Rhetorik. Lasst uns voneinander und miteinander lernen, und vor allem die Dinge wirklich tun (wie es auch schon hier und da passiert). Unser Land ist nicht gerade bekannt für die Offenheit gegenüber Pionieren oder neuen Modellen. Ich denke, da brauchen wir Freiraum, Optimismus und Gnade statt Rechthaberei oder Kritik (nicht dass das so wäre).
Mir sind folgende Fragen offen:
– Form folgt Funktion. Wirklich?
– Unsere gegenwärtigen Systeme bewirken unsere gegenwärtigen Ergebnisse. Sind unsere Ergebnisse was wir sehen wollen?
– shaping of things to come – wir denken mit und für die nächste Generation. Das bedeutet Veränderung. Was darf man verändern? Woran merkt man die gute Veränderung? Was muss dafür aufhören?
– Priestertum aller Glüubigen – wie bekommen wir die durchschnittsperson in der Gemeinde in einen Lebensstil der Nachfolge und Mission?
– Aktivität – welche Formen fördern die Aktivität der Masse?
– Jobgarantie – wie können Profi-Prediger überleben und sich gleichzeitig „verzichtbar“ machen?
– Offenheit – schaffen wir es, eine Diskussion zu führen, die nicht zu früh nach Lösungen oder Integration sucht? Die die unfertigen Gedanken schätzt und neue Ansätze fördert, und Menschen Mut macht, Risiken einzugehen?
– Klinsmann- muss es erst schlimmer werden bevor es besser wird? Oder fliegt er nach der nächsten Niederlage (dienstag?) raus?
Schöne Ostern!
@Simon: Dass du dem Öffentlichkeitsaspekt von Gottesdienst und Gemeindeleben zum Recht verhilfst, finde ich gut. Mich beschäftigt das seit Jahren. Hast du dazu noch ein paar genauere (Literatur-)Hinweise? Gruß W.
@Werner. Das Buch, das ich hier im Kopf hatte, heißt „The search to belong“ von Joseph Myers. Ich habe mal ein paar Blogbeiträge dazu geschrieben, falls du einen Eindruck vor dem Kauf des Buches, das sich toll liest, gewinnen möchtest: http://tinyurl.com/c5txgr (die Blogartikel mit den Nummern 3-7 dürften für dich interessant sein).
Im Regal habe ich zum Thema noch liegen: „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens: Die Tyrannei der Intimität“ von Richard Sennett. Darüber hat Peter Aschoff (http://www.elia-gemeinschaft.de/wordpress) ein paar mal gebloggt.
@David
Nur kurz, warum passt Apg 2 nicht in diese Diskussion?
@Simon: Danke
Interesantes Gesräch hier. Finde hier werden gute Fragen aufgeworfen und allein das gemeinsame Ringen um diese Fragen ist schon sehr sehr viel wert.
@Marlin: finds immer wieder gut, wie du so radikal und bedacht gleichzeitig bist.
@Markus: aha finde diese Formulierung: entschieden anders leben sehr interessant. Bonhoeffer?
Was mir hier immer ein bisschen mitschwingt sind die negativ vorgeprägten Erwartungen zwischen Landeskirchlern und Freikirchlern. Auch wenns niemand hier so sagen würde, aber diese Einstellungen „Freikirchen = Sekten“ und „Landeskirchen = geistl. tot“ wirken vielleicht hier schon nach. Auch hier brauchts wohl längere Zeit bis da alle Verletzungen überwunden sind.
Was mir an der Grafik auffällt: Es erinnert sehr an die 5 Aufträge vom guten alten Rick W. aus S., oder? Nur dass „Dienst“ als Auftrag fehlt.
2 Fragen:
1. Versteht die missionale Gemeinde Dienst und Mission als Einheit? Ist der Dienst deshalb kein separat formulierter Auftrag? Würde mir einleuchten.
2. Sollten wir Anbetung wirklich als einen Auftrag neben den anderen sehen? Mir würde näher liegen, Anbetung als DEN Auftrag zu verstehen, der sich in den anderen ausdrückt. Also nicht Gemeinde, die manchmal anbetet und manchmal missional unterwegs ist, sondern Gemeinde, deren Anbetung sich in missionalem Leben ausdrückt.