Der Aufstieg der Außenseiter – Gewinner und Verlierer

Ganz ehrlich: wer konnte Steffi Graf in den 90ern noch den nächsten Turniersieg wünschen? Irgendwie war es schon cool, jemand im internationalen Sport ganz oben zu haben (neben Turnierreiten und 8-er im Rudern), aber tortz diesem Wir-sind-jetzt-auch-was-Faktor schlägt das Herz ja immer für den Underdog. Wenn Außenseiter triumphieren, dann hat das immer seinen Sympathie-Effekt. Die Entwicklung von Religionen in USA nach 1776 hat eine ähnliche Story: die Mainstreams stagnieren und die Außenseiter sprießen wie Pilze aus dem Boden.

In The churching of America berichten Finke und Stark wie im Jahr 1776 die größten Kirchen die Congregationalist, Episcopalians (Ableger der Anlglikaner) und Presbyterians waren. Diese 3 Gruppen waren die klaren Mehrheiten in den neuen Staaten und vereinten 55% der Kirchgänger. Im Jahr 1850 hatte sich die Gesellschaft verdoppelt, der relative Anteil der Gläubigen ist von 17% auf 35% gewachsen und die 3 Gruppen sind total geschrumpft auf 19% aller Gläubigen. Wenn das Land religiöser wurde und mehr Leute im Land wohnten, wo sind die dann hin?

 

Die Außenseiter waren die Methodisten, Baptisten und Katholiken. Diese hatten zunächst um die 20% Anteil der Kirchgänger und sind im Jahr 1850 auf 70% gewachsen. Hier sind die Zahlen der 3 Außenseiter:

Methodisten — 65 Gemeinden — 4.900 Mitglieder ** 1850 — 13.302 Gemeinden — 2,6 Millionen Mitglieder
Baptisten — 441 Gemeinden — 33.100 Mitglieder ** 1850 — 8.000 Gemeinden  — 1,6 Millionen Mitglieder
Katholiken — 3.500 Mitglieder ** 1850 — 1,1 Millionen Mitglieder

Wie passiert so was? Warum haben die etablierten Kirchen so abgeloost? Die etablierten Kirchen waren zumeist Steuer-finanziert und sahen Orte als Territorien an, wo nur eine Gemeinde sein durfte. Ihnen waren einige der Praktiken der neuen Bewegungen zu „pöbelhaft“ und sie ließen sich nicht auf das Risiko ein, an den westlichen Fronten neue Projekte zu starten. Dieser Fokus auf den „hohen Geschmack“, elitäres Denken und Weigerung zum Risiko schlgen ganz negativ über die Jahre ein. Vor allem merkte die etablierten Gruppen das gar nicht und kritisierten noch die neuen ohne Ende.

Aber was machte die Außenseiter aus, dass sie so einen kometenhaften Aufstieg hinlegen konnten?

Dezentrale Organisation: mach dein Ding
Die Außenseiter hatten keine professionelle Elite, um ihre Organisationen zu führen. Sie rekrutierten Menschen mit einem nicht-geistlichen Beruf und etablierten Kleingruppen, um ihre Werte zu vermitteln. Damit waren sie sehr flexibel, um auf die jeweiligen Nöte zu reagieren, konnte neue Leiter schnell rekrutieren und waren nicht vom Geld abhängig. Das erlaubte ihnen, schnell zu expandieren und dabei die Nähe zu den Leuten zu behalten, statt gelehrte Thesen zu vertreten.

Botschaft: einfach und direkt
Die Botschaft der Außenseiter war jeweils auf praktische Aspekte und das Herz abgezielt. „Theologie hat seinen Platz, aber sie rettet die Menschen nicht wie eine Botschaft des Herzens zur Umkehr“. Die Predigten der Außenseiter redeten und demonstrierten die Kraft Gottes. Und ihre Botschaften thematisierten fast immer Sünde, Errettung und Hölle, und warten vor den Gefahren der Welt. Dagegen standen die Schulen der etablierten Kirchen (wie Harvard oder Yale), denen intellektuelle Integrität wichtiger war als die Förderung von Hingabe bei den einfachen Leuten. Das erinnert mich an John Wimber – always focus on the main and the plain!

“Die Botschaften waren in einfacher Sprache, so wie bei den gewöhnlichen Leuten. Die akademischen Sprache kam nie vor, so dass die Leute klar verstanden, um was es ging“.

Konferenzen und Erweckungen: emotionale Ankerpunkte
An den Fronten des Wilden Westens setzen die Prediger der Außenseiter Camp Meetings auf, wo Menschen tagelang zusammen kamen, um geistlich erneuert zu werden. George Whitefield, Charles Finney und andere waren sich der Wirkung von Massenveranstaltungen bewusst: dort wurde Hingabe erneuert, Emotionen führten zu Neuausrichtung und Bestätigung im Glaubensleben. Finney meint:

„Menschen sind geistlich träge. Es gibt so viele Dinge, die von Religion ablenken und das Evangelium aufhalten. Deshalb ist es notwendig, die Begeisterung von Zeit zu Zeit zu erhöhen bis die Flut so stark wird, dass alle Abwehrhaltung weggewaschen werden“.

Finke und Stark fassen zusammen: „Gesunde Organisationen brauchen regelmäßig eine Erneuerung der Hingabe, damit die Vorteile des Zugehörens drastisch erhöht werden“.

Veränderungen nutzen: Offenheit für die Sklaven und Freien
Die Organisation der Außenseiter bot den versklavten und freien Negern einen Ort, wo sie Unterstützung fanden, geistliche Erfahrunge machen und in Leitungsaufgaben wachsen konnten. Immer wieder hatten die etabilierten Kirchen Argumente, warum ihnen die Menschen oder Methoden zu „banal“ waren. Die Außenseiter kümmerte nur ihre einfache Botschaft und damit waren sie flexibel, auf die Menschen einzugehen, denen sie begegneten.

Letzlich waren es die kulturelle Flexibilität und klare Botschaft mit einem einfachen Pragmatismus (das machen, was funktioniert), das den Außenseitern den Aufstieg ermöglichte. Die Katholiken spielten dort auch hinein, vor allem weil sie nicht die etablierte Macht wie in Europa waren. Erstaunlich ist, dass die Methodisten dann zu einem abrupten Halt kamen, während die Baptisten weiter wuchsen wie die Pilze…

5 Kommentare zu „Der Aufstieg der Außenseiter – Gewinner und Verlierer

  1. hallo marlin … du hast hier (https://siyach.wordpress.com/2008/03/08/wie-konnen-wir-besser-grunden-ecpn-ii/) darüber geschrieben, dass ihr den rand = fringe mehr kultivieren wollt … ich brüte derzeit auch über den rand und darüber, dass es den rand eigentlich doch nicht gibt … ich meine: wenn man in clustergrüpplein, die ich bisher so verstehe, dass sie am rand der gemeinde ein missionarischer arm sind, von jesus redet, dann wird jede randlage zum zentrum … da müsste man also umdenken, dass es vor allem nur den gottesdienst gibt … ok ok … worauf ich hinaus will: hast du zu fringe noch weitere gedanken? … danke … martin

  2. für mich ist Rand was im Bewusstsein der Masse noch nicht so angekommen ist. Das ist keine saubere Definition, aber darum geht es nicht. Mir geht es darum, unbeachtete Ansätze zu finden und bewusst das Experimentieren zu fördern. Es muss nicht unbedingt neu sein, aber eine Anwendung in einem neuen Umfeld oder Erweiterung von bisherigen Modellen.

    Für Fringe sind wir gerade am denken und überlegen. Ich werde demnächst mal was darüber schreiben.

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